Attentat auf Premier Fico in Slowakei: Es geht nicht ohne Kompromiss

Die Schüsse auf den slowakischen Premier sind eine Zäsur in der politischen Debatte des Landes. Opposition und Regierung sollten jetzt zusammenstehen.

Ein Mann hält die slowakische Fahne in der Hand

Ein Mann hält die slowakische Fahne in der Hand vor dem Universitätskrankenhaus. Hier liegt der verletzte Ministerpräsident Foto: Denes Erdos/ap/dpa

Ein Attentat auf einen Premier am helllichten Tag, mitten in Europa: Die Schüsse auf Robert Fico markieren eine Zäsur. In der Slowakei herrschen Fassungslosigkeit und Schockstarre. Parlamentssitzungen wie auch geplante Oppositionsproteste wurden abgesagt. Ersten Informationen zufolge handelt es sich um einen Einzeltäter mit politischer Motivation. Der 71-Jährige, der früher als Security-Mann gearbeitet hatte, hatte offenbar Verbindungen in die 2022 geschlossene paramilitärische Gruppe Slovenskí Branci.

Als Ursache für das Attentat gilt aber vor allem die immer feindseligere Stimmung in der Slowakei. Das politische Niveau ist abgrundtief, Kompromisse sind kaum mehr möglich. Erst kürzlich fand die Polarisierung in der Präsidentschaftswahl Ausdruck – mit Peter Pellegrini gewann der Kandidat aus Ficos Lager. Möglicherweise wird er eine Rolle bei der notwendigen Einigung des Landes spielen.

Schon 2018 gab es mit der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten einen absoluten Tiefpunkt. Hunderttausende gingen auf die Straßen, mehrere Spitzenpolitiker, auch Premier Fico, traten zurück. Kurz sah es so aus, als würden sich Politik und Gesellschaft rückbesinnen. Doch dann kamen Pandemie und Ukraine­krieg – Chancen, die sich Ficos linkspopulistische Partei Smer nicht entgehen ließ. Fico, knallharter Opportunist, inszenierte sich als Impfgegner und Freiheitsfreund. Auch beim Thema Ukraine scherte er aus dem EU-Konsens aus: Er sprach sich gegen Waffenlieferungen aus.

Einiges von Ficos Politik erinnert an die eines Viktor Orbán, der Ungarn seit 2010 durchregiert. Dabei sitzt Fico keineswegs fest im Sattel. Er hat zwar die slowakische Politik der letzten zwei Jahrzehnte geprägt wie kein anderer. Eine Mehrheit hat er aber nicht hinter sich. Deshalb geht es nicht ohne politischen Kompromiss. Es kommt auch darauf an, wie Fico und seine sehr unterschiedlichen Koalitionspartner auf das bestürzende Attentat reagieren. Und die Opposition täte gut daran, trotz des heiklen Zeitpunkts mitten im EU-Wahlkampf die Hand auszustrecken.

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