Heilung von Wunde mit Pflanzensud: Der Apotheker-Affe

Ein Orang-Utan heilt mit einer Pflanze seine offene Wunde. Damit gibt es eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den Menschen und den Menschenaffen.

Ein Orang Utan mit einer Wunde.

Das Orang Utan-Männchen Rakus im Urwald von Suaq Balimbing, zwei Tage vor Beginn der Selbstbehandlung Foto: Safruddin/Max-Planck-Institut für Tierverhalten/SUAQ foundation/dpa

BERLIN taz | Orang-Utans können über Heilwissen verfügen. Das legen Erkenntnisse eines Forschungsteams nahe, das einen Orang-Utan bei der aktiven Behandlung einer offenen Wunde beobachtete. Das Männchen mit dem Namen Rakus litt an einer großflächigen Verletzung unter dem rechten Auge. For­sche­r:in­nen konnten sehen, wie er minutenlang die Pflanze Fibraurea tinctoria aß, den Saft auf die Wunde auftrug und schließlich die gesamte Wunde mit den zerkauten Blättern bedeckte.

Die Wunde stammte wahrscheinlich von einem Kampf mit einem männlichen Artgenossen, vermuten die Forscher:innen. „Die Beobachtungen in den folgenden Tagen zeigten keine Anzeichen einer Wundinfektion und nach fünf Tagen war die Wunde bereits geschlossen“ erklärten die Wissenschaftler:innen.

Das Team von Kognitions- und Evo­lu­ti­ons­bio­lo­g:in­nen des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz und der Universitas Nasional, Indonesien um Isabelle Laumer und Caroline Schuppli beobachtet seit 20 Jahren Orang-Utans auf Sumatra. In einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlichen sie ihre neusten Ergebnisse zu dem Affen, der sich selbst medizinisch behandelt. Der Forschungsstandort heißt Suaq Balimbing und liegt auf Sumatra. In dem geschützten Regenwaldgebiet leben etwa 150 der vom Aussterben bedrohten Tiere.

Die Pflanze, die der Orang-Utan auf seine Wunde auftrug, ist für ihre schmerzstillende und antibakterielle Wirkung bekannt, erläutert Laumer, Erstautorin der Studie. Sie werde auch in der traditionellen Medizin zur Behandlung verschiedener Krankheiten verwendet.

Keine zufälligen Handlungen

Bislang konnte bei Menschenaffen nur beobachtet werden, wie sie Pflanzen zur Behandlung von Parasiten essen oder ihre Arme und Beine mit Pflanzensud einreiben, um Muskelschmerzen zu lindern. Eine aktive Wundbehandlung mitzuverfolgen ist also bisher einzigartig.

Ein orang Utan auf einem Baum.

Zwei Monate nach der Selbstbehandlung war die Wunde kaum noch sichtbar Foto: Safruddin/Max-Planck-Institut für Tierverhalten/SUAQ foundation/dpa

Die For­sche­r:in­nen gehen davon aus, dass das Verhalten des Orang-Utans Rakus beabsichtigt war. „Das Verhalten schien absichtlich zu sein, da er selektiv seine Gesichtswunde an seinem rechten Backenwulst mit dem Pflanzensaft behandelte und keine anderen Körperteile.“ erklärte Laumer. Das Verhalten sei außerdem mehrmals wiederholt worden, was ebenfalls nicht auf eine zufällige Handlung hinweise.

Dass nicht nur Menschen, sondern auch Menschenaffen ihre Wunden behandeln, lässt die For­sche­r:in­nen vermuten, dass schon unsere gemeinsamen Vorfahren ähnliche Verhaltensweisen zeigten.

Dass die Tiere die Pflanze Fibraurea tinctoria essen, könnte eine „individuelle Innovation“ sein, erklärte Caroline Schuppli. „Einzelne Tiere können versehentlich ihre Wunden berühren, während sie von dieser Pflanze fressen, und so unbeabsichtigt den Saft der Pflanze auf ihre Wunden auftragen.“ Fibraurea tinctoria habe eine sofortige schmerzlindernde Wirkung, was dazu führen könnte dass das Verhalten mehrmals wiederholt wird.

Auch Julia Cissewski findet die Studie sehr interessant und beeindruckend. Cissewski arbeitet am Max-Plack-Institut für evolutionäre Anthropologie und ist ehrenamtliche Vorsitzende des Vereins Orang-Utans in Not. Sie war selbst nicht an der Studie beteiligt. Unabhängig von dem interessanten Fakt, dass es das erste Mal war, dass solch ein Verhalten bei Menschenaffen beobachtet werden konnte, sei es einzigartig, dass alles direkt vor Ort mit verfolgt und so gut dokumentiert wurde. „Die Studie zeigt wie nah wir Menschen den Menschenaffen sind“, unterstreicht Cissewski. Jetzt gäbe es eine weitere Gemeinsamkeit mit den bedrohten Tieren.

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