Recht und Ordnung in China: Schräge Vorschriften im Stadion

Wer in China nicht harte Strafen riskieren will, sollte auf Dresscodes achten und ansonsten die Schnauze halten. Kritik ist strikt unerwünscht.

Viele Menschen auf einer Straße.

Lieber unterschiedlich angezogen: Menschen in einer Straße in Shanghai Foto: imago

Ein Ordnungshüter hat die Pflicht, für Ordnung zu sorgen. So einfach ist das, könnte man meinen. Doch China ist etwas Besonderes. Am 24. April meldete die Polizei im Huangpu-­Bezirk, Shanghai, folgende Störung der Ordnung: Vier Shanghaier Bürger trugen das gleiche T-Shirt und kamen zum Joggen in ein Stadion des Bezirks.

Nun hatte aber die Bezirksregierung bereits im Februar die Vorschrift herausgegeben, dass bei drei und mehr Personen, die einheitlich bekleidet sind, eine Anmeldung an das hierfür zuständige Polizeirevier vorausgehen muss, wenn ein öffentlicher Raum betreten werden soll. Die unbedarften Jogger hatten von der Verordnung entweder nicht gewusst oder sie ignorierten sie vorsätzlich. Ordnungsgemäß wurden die Sicherheitskräfte aktiv und verwiesen die vier Sportler vom Platz.

Die wiederum begaben sich online, um im Netz die Administration anzuschwärzen. Mehr noch: Ein Kurzvideo wurde von einer Person mit dem Familiennamen Yan in Umlauf gebracht und an mehr als drei weitere Personen verbreitet. Aufgrund großflächiger Verbreitung negativer Informationen wurde Yan für eine geschlagene Woche in Polizeigewahrsam genommen. Im Fall einer gerichtlichen Verurteilung drohen ihm bis zu sieben Jahre Gefängnishaft.

So viel zum Thema polizeiliche Anstrengung, für Ordnung zu sorgen. Was zusätzlich anzumerken ist: der Hinweis von derselben Polizei, „Wer das hier erwähnte Kurzvideo bei sich aufbewahrt, wird aufgefordert, das Video zu löschen oder zu zerstören, damit es nicht von feindlichen Elementen außerhalb von China missbraucht wird.“ Auf gut Chinesisch: Wir wollen nicht bloß für Ordnung sorgen, sondern auch dafür, dass jedwede Störung der Ordnung von der Außenwelt unbemerkt bleibt.

An Bauqualität nichts zu beanstanden

Etwas anders sah es drei Tage später in dem Wohnviertel Kang-an in der Stadt Harbin, Nordostchina, aus. Dort wurde am 27. April eine „anormale Ansammlung von Menschen“ festgestellt, 19 Personen, Kinder inklusive, in einem mehrstöckigen Wohnhaus. Genauer gesagt: Die Sicherheitsgrenze, die pro 15 Quadratmeter nicht mehr als eine Person vorsieht, sei überschritten worden. Die Folge: Die Wände des Gebäudes zeigten nun große Risse und die Wohnsicherheit sei dadurch beeinträchtigt.

Nachdem die Polizei festgestellt hatte, dass die Bauqualität absolut normgerecht sei und auch alle notwendigen Genehmigungsverfahren einwandfrei befolgt wurden, sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Harbin allen Ernstes dazu aufgefordert, keine „Gerüchte“ zu verbreiten, und, bitte, auch keinen zu glauben. Also haben die Ordnungshüter nicht allein für Ordnung zu sorgen, sondern auch für eine dazu passende Psyche.

Wie aus dem letzten Absatz des Polizeivermerks in Harbin zu verstehen ist, wird dazu geraten, mit Blick auf das seelische Wohlbefinden nur den offiziellen Bekanntmachungen zu vertrauen. Seit Ausbruch der Covid-19 Pandemie wurde in China ein Impfstoff namens Sinopharm innerhalb von acht Monaten entwickelt, ordnungsgemäß geprüft und rechtlich korrekt an hunderte von Millionen Chinesen verabreicht.

Der Entwickler Yang Xiaoming, Chefingenieur der gleichnamigen Pharmafirma, wurde 2023 als „Vater chinesischer Covid-Impfstoffe“ geehrt und mit der Medaille der Volksrepublik ausgezeichnet. Nun stellt man negative Nebenwirkungen des Impfstoffes fest, von denen einige gar für Todesfälle verantwortlich seien. Die Antwort der Ordnungshüter über die Bewahrung öffentlicher Ruhe hinaus lautet: Yang wurde aller Ämter enthoben und verhaftet, Anklagepunkt: Korruption. Damit ist ein Entschädigungsanspruch gegen jedwede Regierungsstelle ausgeschlossen.

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