Regisseur des Videospiels „Fallout“: „Wir haben Zeit“

Todd Howard hat die Videospielwelt mit der „Fallout“-Reihe geprägt. An der Serienumsetzung für Amazon Prime war er nun als Produzent beteiligt.

Szene aus der Serie "Fallout". Die Hauptperson steht neben einem gesuchten Mann und der wiederum neben einer alten Frau mit Gewehr. Alles sehr abgerockt.

Wüst geht es zu in der „Fallout“-Welt Foto: prime video

taz: Herr Howard, wie haben Sie die „Fallout“-Welt zum Leben gebracht

Todd Howard: Wir wollten die Welt der „Fallout“-Spiele weiterentwickeln. Für mich ging es erst einmal darum, Kreativpartner für die Serie zu finden. Wir müssen den Stoff ja für die große Leinwand umsetzen und eine Geschichte erzählen, die wir zuvor in einem Spiel hatten. In „Fallout“ geht es in erster Linie um die Welt und wir mussten einen interessanten Schauplatz finden, von dem aus wir eine neue Story mit tollen Charakteren erzählen können.

Abgesehen davon, dass Regisseur Jonathan Nolan die „Fallout“-Spiele kennt und gespielt hat – was beeindruckt Sie an ihm?

Zum einen seine Arbeit am Drehbuch von „The Dark Knight“, wo er eine populäre, bereits langlaufende Marke nimmt und noch immer interessante Szenarien aus ihr herauszieht und sie zum Leben erweckt. Denn in „Fallout“ ist die Welt zwar zentral, aber es geht nicht nur um die Postapokalypse, es geht auch um die Welt davor. Und dort muss man eine längere Geschichte erzählen, die aber trotzdem frisch ist.

Für die Fans ist einer der interessantesten Aspekte die religiöse Stählerne Bruderschaft. Wofür steht sie?

In der Stählernen Bruderschaft gibt es verschiedene Fraktionen. Die Serie zeigt eine Version der Bruderschaft, die näher an dem ersten „Fallout“-Spiel ist. Sie sind eine quasi religiöse Vereinigung, die Technologie anbetet. Aber ihr Verlangen, eben diese Technologie zu kontrollieren, spaltet sich in der Bruderschaft selbst. Sie treten als Ritter des Wastelands auf, versuchen aber gleichzeitig die Überbleibsel der Technik zu finden, damit sie sie für sich einsetzen können. Ihre silbernen Powerrüstungen sehen stark aus und eigentlich möchte jeder einmal in dieser Rüstung herumlaufen und sagen „Ich kontrolliere jetzt das Wasteland.“ Du siehst diese Rüstung und willst mit ihr Iron-Man in der Apokalypse spielen.

Spiele erzählen Geschichten durch interaktives Storytelling. Filme und Serien präsentieren ihre Handlung aber passiv. Ist das problematisch?

Todd Howard

geboren 1971, ist ein US-Spiele­entwickler, der zu den einflussreichsten Protagonisten der Industrie gehört.

In unserem Fall war es das nicht, weil wir uns dafür entschieden haben, nicht direkt die Geschichte der Spiele umzusetzen. Ich wollte etwas machen, das für eine Fernsehserie funktioniert. Das ist auch, warum wir einen Ensemble Cast haben. Wir sehen die Serie durch mehrere Augen. In den Spielen sorgt die Interaktivität dafür, dass du selbst zum Hauptcharakter wirst. Das fühlt sich natürlich vollkommen anders an als lineares Fernsehen. Im besten Fall, wenn wir gute Arbeit gemacht haben, fühlst du bei den Spielen etwas über dich selbst. Wenn jemand viele Spiele spielt und eines beendet, fühlt er für einen Moment einen gewissen Stolz. Das ist etwas, das Fernsehen und Filme dir nicht geben können. Dafür können sie dir aber andere Erlebnisse geben, wie zum Beispiel die Welt aus anderen Perspektiven betrachten.

Videospiele werden oft als unpolitisches Medium gesehen. Was denken Sie?

Wie jede Form von Unterhaltung können auch Spiele vieles sein. Videospiele sind inzwischen an einem Punkt, wo die meisten Leute realisieren, dass sie tiefgründige Geschichten erzählen können, durch die man sich selbst hinterfragt. Oder aber sie sind eine beiläufige Ablenkung wie ein Spielautomat, zum Beispiel auf dem Handy. Mit Filmen und Serien ist es dasselbe. Dort gibt es das „Familien-Duell“, „Westworld“ und „Der Herr der Ringe“. Es gibt also eine große Bandbreite. Und bei Videospielen gibt es sie auch. Und so sollte es auch sein.

Wie haben Sie entschieden, welche Inhalte es aus den Spielen in die Serie schaffen?

Das kam durch die Gespräche mit dem Regisseur Jonathan Nolan und den Autoren Geneva Robertson-Dworet und Graham Wagner. Ich hatte auch meine Liste mit Inhalten, die ich in der Serie haben wollte. Eine Sache, die man mir aber erst einmal beibringen musste, war die Art der Erzählung im Fernsehen. Sie haben mir gesagt: „Wir haben Zeit. Wir können sie uns nehmen. Wir können den Charakteren auf den Grund gehen.“

Was stand denn auf Ihrer Liste? Was wollten Sie aus den Spielen übernehmen?

Wenn man von „Fallout“ spricht, dann denken die meisten direkt an Vault-Tec. Sie denken an den Vault Boy am Arm und den ersten Moment, wenn man das Wasteland betritt. Dieser Moment, wenn man zum ersten Mal die Welt sieht und dann lernt, in ihr zu überleben. Das war der wichtigste Punkt auf meiner Liste. Natürlich stand auch die Stählerne Bruderschaft darauf. Auch die Welt vor dem Atomkrieg war mir sehr wichtig. Wir wollten die Gelegenheit nutzen und in der Serie so oft wie möglich zeigen, wie es in der alten Welt war. Das haben wir auch am Anfang des Spiels „Fallout 4“ ein wenig getan. Aber bei den Spielen haben wir nicht dieselben Möglichkeiten, die Vergangenheit zu inszenieren wie in der Serie.

Wie bei den „Fallout“-Spielen haben auch an der Serie Hunderte, wenn nicht Tausende mitgearbeitet. Wie stellen Sie sicher, dass die Arbeitsbedingungen fair und transparent sind?

Bei den Spielen liegt das definitiv in meiner Verantwortung. Das ist jetzt mein dreißigstes Jahr im Studio und ich kenne viele der Leute seit Dekaden. Wir haben inzwischen jede Art von Entwicklung durchgemacht. Aber gerade, weil die Leute so lange bei uns sind, passen wir sehr genau auf sie auf. Wir müssen alles geben, damit ein Spiel bestmöglich erscheint. Aber das muss auch nachhaltig sein, weil dir eine Entwicklung sehr viel abverlangt. Wir sind da in einer guten Position, aber es ist auch immer etwas, wo man dazulernt. Die Welt verändert sich und wir haben zum Beispiel nicht mit dem Coronavirus gerechnet. Das ändert deine Arbeitsbedingungen natürlich vollkommen. Für Entwickler wie uns ist das noch einfacher als für die Leute am Filmset. Wir haben den Dreh am Ende des Virus begonnen, es musste noch getestet und einige Hindernisse mussten überwunden werden. Aber in meinen Augen war die Produktion sehr umsichtig und vorsichtig mit diesen Dingen.

Momentan macht die Gaming-Industrie Schlagzeilen durch massive Entlassungswellen. Wie kommt es zu diesen Einschnitten? Und welche Rolle spielt die künstliche Intelligenz dabei?

Ich denke, das ist bei jedem Studio und Unternehmen unterschiedlich. Wir als Studio fühlen uns zum Beispiel momentan sehr wohl, wo wir sind. Ich würde es gar nicht auf die Gaming-Industrie eingrenzen, sondern sagen, dass es die gesamte Techindustrie betrifft. Wir haben zuletzt einen starken Zustrom in die Branche gesehen und ich denke, dass die Industrie gerade einen Zyklus durchmacht. Ich hoffe, dass dieser bald zu einem Ende kommt. Ich denke aber nicht, dass künstliche Intelligenz jetzt schon eine große Rolle spielt und alle ersetzt. Meine Sicht auf künstliche Intelligenz ist die, dass sie uns dabei helfen kann, noch produktiver zu werden.

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